FRANKFURT (dpa-AFX) - Kurz vor der Weltklimakonferenz COP-28 in Dubai haben die Vereinten Nationen vor einer immer schnelleren Erderwärmung gewarnt. Die Zeit drängt, denn der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase hat im vergangenen Jahr einen Rekord erreicht. Experten zufolge drohen damit noch häufigere Wetterextreme wie Dürreperioden und Hochwasser, aber auch ein Verlust der Artenvielfalt. Vor diesem Hintergrund wollen viele Menschen ihr Konsumverhalten ändern, um ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Eine weitere Möglichkeit ist, mit der Auswahl der Finanzanlagen Einfluss zu nehmen. Doch auch hier liegen die Tücken im Detail, wie nicht zuletzt die jüngsten Greenwashing-Vorwürfe zeigen. Laut Umweltbundesamt versteht man unter "Greenwashing" generell den Versuch, sich insbesondere durch Maßnahmen im Bereich Kommunikation und Marketing ein "grünes" beziehungsweise "nachhaltiges" Image zu geben, ohne entsprechende, nachhaltigkeitsorientierte Aktivitäten im operativen Geschäft tatsächlich systematisch umzusetzen. Übertragen auf Finanzinstitute werde beispielsweise manchmal behauptet, dass die angebotenen Produkte einen nachhaltigen "Impact" hätten, also einen Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten, ohne diesen Beitrag tatsächlich nachzuweisen oder gar messbar zu machen. Die Greenwashing-Vorwürfe sind ein Grund, warum das in den letzten Jahren rasante Wachstum nachhaltiger Geldanlagen zuletzt geschwächelt hat. Weitere Gründe sind das Regulierungs-Wirrwarr und der politische Widerstand vor allem in den USA. Laut der US-Ratingagentur Morningstar fließen in Europa seit 2022 deutlich weniger Gelder in derartige Produkte als noch 2021. In den USA zogen die Anleger im dritten Quartal dieses Jahres demnach sogar 2,7 Milliarden Dollar aus nachhaltigen US-Fonds ab. Insgesamt beliefen sich in den Vereinigten Staaten die Abflüsse seit dem vierten Quartal 2022 bereits auf 14,2 Milliarden Dollar. Aktuell ist der Gegenwind für die Branche aus den USA besonders heftig, nachdem einige republikanisch regierte US-Bundesstaaten sich dazu entschlossen hatten, ihre Pensionsgelder nicht mehr von dem weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock verwalten zu lassen. Dessen Chef Larry Fink hatte sich in der Vergangenheit als Vorreiter in Sachen verantwortliches Investieren inszeniert. Einflussreiche Republikaner werfen Blackrock vor, die Ölindustrie zu "boykottieren" oder im Streben nach Nachhaltigkeit die Rendite zu vernachlässigen. Werner Hedrich, Deutschland-Geschäftsführer von Globalance Invest, gibt in Sachen Nachhaltigkeit dennoch einen optimistischen Ausblick: "In der Europäischen Union (EU) und in den Vereinigten Staaten ist der Wandel von den fossilen zu den alternativen Energien politisch gewollt und wird unterstützt." So wollen die USA mit einem milliardenschweres Investitionspaket den Klimaschutz vorantreiben, wovon insbesondere konservative Bundesstaaten profitieren. Die 27 Mitgliedstaaten der EU wollen bis 2050 klimaneutral werden, wofür mit Investitionen in Billionenhöhe gerechnet wird. Für an Nachhaltigkeit interessierte Anleger hat die EU mit den sogenannten Taxonomie- und Offenlegungsverordnungen Instrumente geschaffen, welche die Schlüsselbereiche Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) bewerten und Greenwashing verhindern sollen. So werden nachhaltige Fonds in die Kategorien Artikel 8 und Artikel 9 eingeordnet. Für erstere sind die Anforderungen weniger strikt und für letztere etwas strikter. Diese Unterscheidung bedeute, dass bei Artikel-8-Fonds Rendite und Nachhaltigkeit gut ausbalanciert werden können, sagt Daniel Regensburger, Geschäftsführer des Anbieters nachhaltiger Sachwerte-Fonds Pangaea Life. Bei Artikel-9-Fonds hingegen empfindet er die Regulatorik unklar, und es gebe Spielraum bei der Definition von wirkungsorientiertem Investieren (Impact Investing). "Wenn man Impact Investing im Kontext ESG wirklich ernst nehmen will, könnte die Rendite in den Hintergrund treten." Dabei gebe es gleichwohl eine Reihe sehr guter wirkungsorientierter Artikel-9-Fonds etwa aus dem Mikrofinanzbereich, die wichtige Aufbauarbeit in Schwellenländern leisteten. Nach Auffassung der Impact-Investing-Spezialistin Anja Gräf vom Vermögensverwalter HSBC Asset Management sollte "Ziel der gesamten Branche sein, die richtige Balance zu finden, Komplexität zu erlauben und doch so klar wie möglich zu kommunizieren." Dabei helfe Transparenz, die dazu diene, zu erläutern, was das grüne oder Impact-Produkt kann und tut, und was eben auch nicht. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg mahnt gleichwohl zur Vorsicht, denn es gebe auch das Phänomen "Impactwashing": "Betrachten Sie Wirkungsversprechen immer mit Skepsis." Die Frage, ob die behauptete Wirkung eintritt oder nicht, könne in der Praxis kaum beantwortet werden. Wer etwa Aktien eines Herstellers von Windparks an der Börse kauft und sich nicht direkt an dem Windpark beteiligt, habe mit seiner Anlageentscheidung keinerlei direkte Wirkung erzielt. "Der Kauf von Aktien ändert unmittelbar weder den CO2-Ausstoß der gekauften Aktiengesellschaften noch den der übrigen 'nicht nachhaltigen' Aktiengesellschaften."/la/bek/mis --- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---