(neu: Details) HAMBURG (dpa-AFX) - Beim Hamburger Versandhandelsriesen Otto beginnt eine neue Ära. Nach mehr als fünf Jahrzehnten in Spitzenpositionen wird der Firmenpatriarch Michael Otto (80) in zwei Schritten bis 2026 die strategische Führung des Familienunternehmens an seinen Sohn Benjamin (48) abgeben. Damit verbunden sind auch Neubesetzungen an der Spitze des Vorstandes und des Aufsichtsrates, wie die Otto Group am Montag bekanntgab. "Der Zeitraum ist bewusst gewählt, um einen schrittweisen Übergang in aller Ruhe zu ermöglichen", heißt es der Mitteilung. Benjamin Otto wird demnach am 1. März 2026 den Vorsitz des Stiftungsrats von seinem Vater übernehmen. In dieser Rolle wird er die Aufgabe des Chefstrategen bei dem Konzern übernehmen, der im Sommer seit 75-jähriges Bestehen feiert. Der Stiftungsrat vertritt die Michael Otto Stiftung als Mehrheitseigentümerin der Otto Group. "Zugleich wird er den Vorsitz des Gesellschafterrats übernehmen, aus dem heraus künftig die strategischen Ziele der Unternehmensgruppe formuliert und kontrolliert werden." Er ist bereits seit Mitte 2015 Mitglied und "Gestaltender Gesellschafter" im Gesellschafterrat sowie Mitglied im Stiftungsrat. Ausdrücklich auf eigenen Wunsch wird Benjamin Otto - nicht wie zuvor sein Vater - Rollen als Vorstandsvorsitzender oder Aufsichtsratschef übernehmen. "Mein Sohn hat ganz große Stärken im strategischen Denken, war auch an allen wichtigen strategischen Entscheidungen in den letzten Jahren mit beteiligt", sagte Michael Otto der Deutschen Presse-Agentur. "Aber er sagt auch selbst ganz klar: Das operative Geschäft können andere besser." Zudem sei er "praktisch ein Digital Native", sagte Otto, der schon als Jugendlicher programmiert habe. Sein Gesellenstück hatte Benjamin Otto schon vor Jahren abgeliefert, indem er das Internet-Handelsprojekt Collins auf die Spur setzte. Aus Collins ging später der mittlerweile an der Börse notierte Online-Modehändler About You hervor, der zum Otto-Konzern zählt. Digitalisierung war bereits für Michael Otto ein wichtiges Thema. Er hatte sehr früh neben der Bedeutung der Internationalisierung die Chancen des Internets erkannt. Als in den 1990er Jahren das Internet für alle geöffnet wurde, "waren wir bereits im Thema und starteten sehr früh die ersten Internetprojekte und etablierten 1995 als einer der ersten Versandhändler einen Onlineshop, obwohl damals in Deutschland nur 250 000 Menschen Zugang zum Internet hatten", berichtete er. Aktuell arbeitet die Otto Group daran, Künstliche Intelligenz (KI) an verschiedenen Stellen im Online- und Versandhandel nutzbar zu machen. Bereits am 1. März 2025 wird Michael Otto den Vorsitz des Aufsichtsrates abgeben. Nachfolger in dieser Position wird der bisherige Vorstandschef Alexander Birken. Dessen Nachfolgerin wird dann die bisherige Finanz- und Personalchefin Petra Scharner-Wolff. Katy Roewer rückt zugleich in den Vorstand auf und übernimmt Scharner-Wolffs Ressorts. "Eine der größten Herausforderungen für Familienunternehmen ist der gelingende Generationenwechsel", wird Michael Otto zitiert. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass Benjamin die Otto Group nicht nur wirtschaftlich in eine gute Zukunft führen, sondern auch die besonderen Werte unseres Familienunternehmens lebendig halten wird." Michael Otto, Sohn des Unternehmensgründers Werner Otto, trat 1971 in den Otto-Vorstand ein und übernahm 1981 für 26 Jahre dessen Vorsitz. 2007 wechselte Otto an die Spitze des Aufsichtsrates. Otto hatte seine Mehrheitsbeteiligung an Otto 2014 in eine gemeinnützige Stiftung eingebracht. "Mir war dabei wichtig, dass die Familie immer das Sagen hat und der Hauptsitz unseres Unternehmens in Hamburg bleibt und beispielsweise nicht in irgendeine Steueroase verlagert werden kann", lautet sein Credo. Otto selbst wolle sich nach seinem Rückzug verstärkt seinen Stiftungsaktivitäten widmen, hieß es. Dazu zählt die 1993 gegründete Umweltstiftung Michael Otto. Umweltthemen und der drohende Klimakollaps des Planeten gehören für Otto zu den drängendsten Themen. "Die Entscheidungen werden zu langsam getroffen, teilweise überhaupt nicht getroffen", sagte er der dpa. Eben dafür sei es jetzt an der Zeit, um die Rahmenbedingungen festzulegen, "so dass dann auch die Investitionen hier in Deutschland stattfinden können."/kf/DP/ngu